Am Dienstag, den 7. November 2017, lud Gesellschaftsspiele e.V. und ihr kongenialer Kooperationspartner, das Fanprojekt der Sportjugend in Berlin, zu einer Abendveranstaltung. Hardy Grüne, der renommierten Fußballhistoriker und „Zeitspiel – Magazin für Fußball-Zeitgeschichte“-Herausgeber, war zu Gast. Wunderbar, denn so sollte der nachhaltigen Erörterung des Themas nichts mehr im Wege stehen.

Hardy Grüne beschäftigt sich bekanntlich seit Jahrzehnten intensiv und leidenschaftlich mit dem unterklassigen Fußball in unserem Land. Und genau das war dann wohl auch der Garant für einen großartigen und kurzweiligen Abend im Haus der Fußballkulturen im Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark.

Rund 25 interessierte Fußballfreundinnen und -freunde fanden sich im Fanprojekt ein

Rund 25 interessierte Fußballfreundinnen und -freunde fanden sich im Fanprojekt ein

Nachdem Hardy kurz seine fußballerische Fanlaufbahn dargestellt hatte, kamen wir zum eigentlichen Thema des Abends – die massiven Überlebensprobleme der sogenannten „Kleinen Vereine“ im Schatten von kommerzialisiertem Eventfußball und seiner ihm innewohnenden Strahlkraft. Gleich zu Beginn wurde die Hörerschaft sensibilisiert. Der Nachweis, daß die stete Kommerzialisierung dem Fußball seit seiner Entstehung innewohnt und daß gesellschaftliche Einflüsse den ewigen Kampf der unterklassigen Vereine massiv beeinflussen, sollte ein roter Faden der Veranstaltung sein.

Ein exemplarisches Beispiel zeigte Hardy Grüne unter anderem anhand der Zuschauerentwicklung in den 50er Jahren. Damals boomte das Wirtschaftswunder in der BRD und binnen weniger Jahre verschoben sich die Interessen der Bevölkerung derart, daß die Werte der zahlenden Zuschauer sich bisweilen im Drittelbereich bewegten. Im weiteren Verlauf des Abends versuchte Hardy, diverse Lösungsansätze für die Misere aufzuzeigen. Dabei betrachtete er die Möglichkeiten der jeweiligen Verbände und Vereine. Sein Appell, daß die Fußballvereine der unteren Ligen in den Gremien der Verbandsstrukturen forscher und selbstbewusster auftreten müssen um ihre Interessen auch wirklich einmal durchsetzen zu können, stieß auf sehr positive Resonanz.

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Ein Highlight der Veranstaltung wurde der Blick in die Zukunft. Daß im turbokapitalistischen Wirtschaftssystem die weitere Kommerzialisierung des Fußballs mit all seinen dazugehörigen Facetten nicht aufzuhalten ist und die bisherigen Entwicklungen unumkehrbar erscheinen, war allen schnell klar. Beim Blick in die Glaskugel wurde dieser bedrückende Eindruck dann aber ganz flugs fortgewischt.

Analog zu Luthers 95 Thesen beteiligte sich Hardy Grüne an einer Initiative des Blogs 120Minuten und steuerte so 6 Ideen für das gedachte Jahr 2050 bei. Beispielhaft hier die sympathische These #3: „Der Amateurfußball findet regional und lokal statt. Er ist geprägt von Self-made-Vereinen, die entweder Fanvereine oder Community-Klubs sind. Man bringt sich persönlich ein, es gibt nur bedingt passive Zuschauer. Gelder werden zwar wegen des Zeitaufwands gezahlt, durch das inzwischen eingeführte bedingungslose Grundeinkommen sind sie aber nicht wesentlich. Zweck ist die Gemeinschaftserfahrung.“ Eine abschließende Diskussion rundete die Veranstaltung perfekt ab.

Es gibt Geschenke!

Endlich alle Tassen im Schrank.

Nach überaus kurzweiligen 90 Minuten konnten wir uns nur bei Hardy Grüne bedanken. Über das Präsent, ein besonderes Konvolut an proletarischer Kiezkultur plus dynamischen Lesestoff plus Kaffeepott, freute sich unser Gast aus Duderstadt aufrichtig. Bei lockeren Gesprächen über dies und das sowie einem anschließenden Bier in einer Gastwirtschaft im Prenzlauer Berg und in realistischen Gedanken an die „Gute alte Zeit“ klang dieser besondere Abend aus. Wir bedanken uns bei Hardy Grüne für Wissenszuwachs, einige neue Sichtweisen und vor allem Reaktionsmöglichkeiten auf die Verwerfungen, die der Kapitalismus für den Fußball leider mit sich bringt.

Haften bleibt aber vor allem die Erkenntnis, daß Fußballkultur ein hohes Gut ist und von vielen fähigen Enthusiasten gepflegt wird. Um das Jahr 2050 braucht uns also nicht bange sein!

Janusz