Sithyneth Ry (INTUFE) und Artemisa Ljaja (CCC) zu Gast im Haus der Demokratie
Als Anfang 2020 die Covid-Pandemie ausbrach, waren in Kambodscha Hunderttausende in der Textilindustrie von Entlassungen, Aussperrungen, Kurzarbeit oder Lohnraub betroffen. Allein in den acht Zulieferbetrieben von adidas dort mehr als 30.000. Sie fordern bis heute vergebens ausstehende Löhne und Abfindungen in Höhe von 11,7 Millionen US-Dollar ein. Adidas erklärt, das Unternehmen sei dafür nicht zuständig.
Sithyneth Ry, Präsident der Gewerkschaft Independent Trade Union Federation (INTUFE), vertritt die Interessen der Arbeiter:innen von Hulu Garment, einem Betrieb in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh, wo auch für adidas genäht wurde. Auch dort warten 500 Beschäftigte seit nunmehr vier Jahren auf die Zahlung von Abfindungen von rund einer Million US-Dollar.
Auf Einladung der Kampagne für Saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign – CCC) kam Ry nach Deutschland, um auf der Hauptversammlung von adidas in Fürth am 16. Mai 2024 die Forderungen der ehemaligen Arbeiter:innen von Hulu Garment vorzutragen – ein weiteres Mal ohne Erfolg.
Zusammen mit Fairness United nutzten wir die Gelegenheit, aus erster Hand mehr über den konkreten Fall und die Situation in der kambodschanischen Bekleidungsindustrie zu erfahren, und luden Sithyneth Ry am 21. Mai zu einem Info-Abend ins Haus der Demokratie und Menschenrechte nach Berlin ein. Gemeinsam mit Artemisa Ljara von CCC berichtete er von den Lebensbedingungen der Arbeiter:innen, der Ignoranz der Unternehmen und den staatlichen Restriktionen gegenüber unabhängiger gewerkschaftlicher Arbeit.
In Kambodscha betragen die in der Bekleidungsindustrie in der Regel gezahlten Mindestlöhne von 200 US-Dollar im Monat nur knapp ein Drittel dessen, was zur Existenzsicherung benötigt wird. 40 Prozent der Beschäftigten haben deshalb einen zweiten Job (zusätzlich zu einer 48-Stunden-Woche plus Überstunden), um über die Runden zu kommen. Meist wird bei den Ausgaben für Lebensmittel gespart, Rücklagen für Notfälle (Krankheit, Arbeitslosigkeit etc.) zu sparen ist nicht möglich. Drei von vier Arbeiter:innen sind verschuldet.
Die 2.000 US-Dollar nicht gezahlter Abfindungen pro Person, um die es im Fall Hulu Garment geht, könnten wenigstens die Not dieser Betroffenen ein wenig lindern. Aber adidas sieht kein rechtliches Fehlverhalten und weist alle Forderungen kategorisch zurück.
Obwohl die elenden Produktionsbedingungen in der Sportartikelindustrie (nicht nur bei adidas und nicht nur in Kambodscha) seit Langem bekannt sind, stoßen sie hierzulande bislang leider öffentlich auf geringes Interesse. Das sollte sich schleunigst ändern.
Der Berliner Info-Abend bildete den Abschluss einer kleinen Speaker՚s Tour von Sithyneth Ry; ähnliche Veranstaltungen hatten zuvor schon in Kooperation mit dem Kurt-Eisner-Verein/Rosa-Luxemburg-Stiftung Bayern in München und Fürth stattgefunden.
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