Das Mommsenstadion. Sportliche 30 Grad. Allerlei Kaltgetränke. Wir dagegen heiß wie Frittenfett. Unsere erste Präsenzveranstaltung hätte keine besseren Voraussetzungen haben können. Im Schatten der Haupttribüne konnten wir kompetente Redner*innen und knappe 40 Interessierte begrüßen. Alle getestet oder geimpft natürlich.
Die Ehre gaben sich der Sportjournalist und Qatar-Experte Benjamin Best , Helen Breit vom Fanbündnis „Unsere Kurve“, Autor und Mitinitiator der Initiative „Boycott Qatar“ Dietrich Schulze-Marmeling und Sandra Schwedler, Aufsichtsratschefin vom FC St. Pauli und Teil der Initiative „Fußball kann mehr“. Moderiert wurde die Veranstaltung von Michael Jopp von „Sport handelt fair“.
Am Anfang drehte sich die Diskussion vor allem um die laufende, paneuropäische Europameisterschaft, die organisierte Fußballfans vor allem wegen der Pandemie kritisch sehen. Das Fußballbusiness gab sich zunächst sehr demütig, weil die Schwachstellen des Systems deutlich sichtbar wurden. Der pure Überlebenswunsch ließ diese Haltung jedoch schnell wieder kippen. Echte Veränderungen Fehlanzeige. Da vor allem autoritäre Staaten sehr viel Geld in den internationalen Fußball investieren, ist die UEFA aber auch die FIFA von Ihnen abhängig. Staaten wie Qatar, Ungarn oder Aserbaidschan pochen auf den status quo.
Aber auch die Berichterstattung der Medien, vor allem der öffentlich-rechtlichen, bleibt zu unkritisch. Erst recht, wenn ein Turnier erstmal in Gange ist. Das Podium war sich einig, dass Medien internationalen Turniere viel mehr in Perspektive zu gesellschaftlichen Themen wie Nachhaltigkeit setzen müssen. „Der Fußball muss lernen, dass er nicht im luftlehren Raum stattfindet“, fasst Helen Breit passend zusammen. Kritische Fanbewegungen sieht man hier als Korrektiv. Darüber hinaus appellierte Sandra Schwedler auch die Konsument*innen, die sie in der Pflicht sieht Veränderungen von Verbänden einzufordern.
Danach wurde die WM in Qatar diskutiert. Zum Einstieg wurde ein Video-Statement einer Gewerkschaftsvertreterin aus Nepal gezeigt. Nach Medienberichten über die menschenunwürdigen Zustände auf den Baustellen der Stadien und den mehr als 6.000 toten ausländischen Arbeiter*innen, hat sich die Situation dieser leicht verbessert. Die Einführung eines Mindestlohns von umgerecht einem Euro pro Stunde, gilt als Meilenstein. Das Kafala-System, was Arbeiter*innen de facto von ihren Arbeitgeber*innen abhängig macht, existiert de facto aber immer noch. Die Ausbeutung hält demensprechend weiter an.
Wie soll aufgrund dieser Tatsache mit der WM umgegangen werden? Für Dietrich Schulze-Marmeling ist klar: Ein internationaler Boykott muss her. Deswegen hat er die Initiative „Boykott Qatar 2022“ ins Leben gerufen. Vor allem aber stehen die Landesverbände und Vereine in der Pflicht, sich klar zu positionieren, wenn man schon nicht boykottiert. Hier kann auch wieder jede*r Einzelne ein Zeichen setzen. Alle Initiativen, die sich gegen die WM aussprechen üben Druck aus, denn Verbände müssen von außen getrieben werden. Eine Veränderung aus dem Inneren scheint so gut wie unmöglich.
Bleibt zum Schluss die Frage: Wie können wir große sportliche Veranstaltung nachhaltig und fair organisieren? Die Stichworte: Einmischen, organisieren, diskutieren. An der Basis. Im Verein. Auf Landesebene. Bis nach oben. Denn nur so ist Veränderung möglich.