Die folgende Zeilen sollen die Projektaktivitäten rund um die Julius-Hirsch-Preisverleihung darstellen. Das Gesamtprojekt „Karten auf’n Tisch“ fand in Kooperation mit dem Fanprojekt der Sportjugend Berlin statt und wurde unterstützt mit Mitteln aus dem Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit im Sport.

Julius-Hirsch-Preis 2024

Wie alles startete: Im Jahr 2021 durften wir uns über den 2. Platz beim Julius-Hirsch-Preis freuen. Drei Jahre später klingelte unser Telefon und wir wurden gefragt, ob wir als ehemaliger Preisträger den aktuellen Preisträger*innen von ASA-FF, Athletic Sonnenberg, SG Bornheim 1945 e.V. Grün-Weiss und Makkabi Deutschland „unser“ Berlin zeigen wollen. Wollten wir! Eine Art Mini-Stadtführung sollte es werden. Berlin ist aber groß und das Zeitfenster am Morgen der Preisverleihung war begrenzt. Es kristallisierte sich schnell die Idee heraus, dass wir gern mit/um unseren langjährigen Partner -und selbst ehemaligen Preisträger- dem Fanprojekt der Sportjugend Berlin, herum, ein kleines Programm organisieren wollten.

Beginnen sollte der Rundgang mit dem Historiker Holger Siemann. Dieser gehörte zum aktiven Teil des Mosse-Projektes. Er stellte vergangene und aktuelle Aktivitäten aus dem gemeinsamen zwischen Anwohner*innen, Fanprojekt der Sportjugend Berlin und Gesellschaftsspiele e.V. initierten Mosse-Projekt vor. Im Jahn-Sport-Park wurde auf die historische und soziale Bedeutung des Cantianstadions für den Prenzlauer Berg und die Stadt Berlin im Allgemeinen eingegangen. Im Anschluss daran führte uns ein kurzer Spaziergang direkt in die Räumlichkeiten des Fanprojekts der Sportjugend. In kompakten Einführungen stellten Vertreter*innen von Lernort Stadion, Fanprojekt und Gesellschaftsspiele e.V. Arbeit und aktuelle Projekte vor. Bei und vor allem nach gutem Essen wurde gekickert, gelacht und genetzwerkt. Die gute Stimmung spielte sich dennoch vor einem ernsten Hintergrund ab. Der grausame Hamas-Überfall war (ist) noch sehr präsent und wirkte doppelt nach. Das medial transportierte Grauen entfalte im Kontext des Projektes auch deshalb eine besondere Wirkmächtigkeit, wenn an die Verfolgung und Ermordung des preisnamensstiftenden Nationalspieler Hirschs gedacht und erinnert wird.

Am Abend nahmen wir an der sehr gelungenen und würdevollen Julius-Hirsch-Preisverleihung zusammen mit 400 geladenen Gästen teil. Ein schöner und bewegender 13. November endete bei Gesprächen mit Preisträger*innen und anwesenden Kolleg*innen.

Preisverleihung 20 24– was bleibt (physisch)?

Diese Frage stellten wir uns natürlich und es war der Wunsch aller involvierter Akteur*innen und Einzelpersonen, etwas Bleibendes, etwas Greifbares zu hinterlassen. Drei Produktesollen als Erinnerung an den Tag, aber auch als Motivation beziehungsweise Inspirations für neue Aktivitäten gegen Rechtsradikalismus und Antisemitismus genutzt werden.

Ergebnis dieser Überlegungen: Ein Online-Quiz, ein kleiner Film und ein Kartenspiel. Das Onlinequiz beschäftigt sich prioritär mit Wirken und Geschichte des Fanprojekts und soll zukünftig bei Aktivitäten im Rahmen vom Lernzentrum @ Hertha BSC, welches an das Fanprojekt der Sportjugend angegliedert ist, genutzt werden. Der siebenminütige Videoclip umreißt die Aktivitäten rund um die Julius-Hirsch-Preisverleihung und hält wichtige Höhepunkte des Tages fest. Kernstück der „Überbleibsel“ stellt sicherlich das Kartenspiel dar. Der DFB-Kultustiftung-Vorsitzende bezeichnete Berlin vor Jahren als Hauptstadt der „Fußball und Soziales-Szene“. Recht hat(te) er mit dieser Aussage. Grob geschätzte 60 NGOs, Zusammenschlüsse und progressiv-politisch ausgerichteten Vereine gibt es in der Stadt und sie alle verbinden auf ihre Art, die Liebe zum Fußball mit Bildungsinhalten. Viele erledigen diese Art mit unterschiedlichen Ansätzen und Zielgruppen – alle mit Leidenschaft und Engagement für die Sache. Diese sollten, so die Idee hinter dem Kartenspiel, einmal kompakt vorgestellt werden. Eine publizistische Veröffentlichung oder ein Online-Beitrag hätte es am Ende auch werden können, nur kann damit schlecht gespielt werden. Einziges Manko eines Kartenspieles: es können nur 32 Blätter mit Inhalten erstellt werden. Wir mussten demnach eine Auswahl treffen und entschieden uns für Akteur*innen, mit denen wir bereits zusammengearbeitet haben. Oder jene, die mit besonderen Projekten und Aktivitäten in Erinnerung geblieben sind. In jedem Fall stellt das Kartenspiel kein Anspruch auf Vollständigkeit bezüglich der Akteursabbildung dar.

In vertrauensvoller Zusammenarbeit mit der Künstlerin Anne Wenkel entstand ein Kartenspiel, welches ab Frühjahr 2024 auch an Freund*innen der Netzwerkpartner verteilt werden soll. Aufgrund von Corona-Erkrankungen in der Druckerei des Vertrauens wird erst mit einer Auslieferung Anfang Februar gerechnet.

Wer war Julius Hirsch?

Julius Hirsch wurde 1892 als siebtes Kind einer jüdischen Kaufmannsfamilie geboren. Bereits mit zehn Jahren trat er dem Karlsruher FV bei, der damals einer der erfolgreichsten Vereine Deutschlands war. Schon mit 18 Jahren wurde Julius, genannt „Juller“ Hirsch Mitglied der 1. Mannschaft und gewann 1910 mit dem KFV die Deutsche Meisterschaft. Zu dieser Zeit absolvierte er eine kaufmännische Ausbildung. Der Fußball jedoch war seine große Leidenschaft. Er spielte auf der Stürmerposition linksaußen und bildete zusammen mit seinen Mitspielern Fritz Förderer und Gottfried Fuchs ein damals landesweit bekanntes Innentrio. Schnell wurden die gebückte Angriffsweise und der harte Schuss zu Hirschs Markenzeichen.

Mit gerade einmal 19 Jahren wurde er 1911 wegen seiner herausragenden Leistungen zum ersten Mal in die deutsche Nationalmannschaft berufen und nahm 1912 an den Olympischen Spielen in Stockholm teil. Nach seinem Militärdienst wechselte Julius Hirsch 1914 zur Spielvereinigung Fürth, mit der er im gleichen Jahr erneut die Deutsche Meisterschaft gewann.

Er diente im Ersten Weltkrieg als Soldat und erhielt 1916 das Eiserne Kreuz II. Klasse sowie die Bayerische Dienstauszeichnung. Im Unterschied zu seinem Bruder Leopold, der 1916 gefallen war, überlebte er den Krieg. 1919 kehrte „Juller“ Hirsch nach Karlsruhe zurück. Er arbeitete in der Firma seines Vaters, in der er mit seinem Bruder Max Hirsch 1926 Gesellschafter wurde.

1923 hatte er seine Laufbahn als aktiver Fußballer beendet, blieb seinem KFV aber weiter als Jugendtrainer verbunden. Er konnte auf eine erfolgreiche Karriere als Fußballspieler zurückblicken. In sieben Länderspielen hatte er vier Tore erzielt, neben den zwei Meistertiteln noch vier Mal die Süddeutsche Meisterschaft errungen.

Am 10. April 1933 muss für Julius Hirsch eine Welt zusammen gebrochen sein. Er las in der Zeitung, dass die süddeutschen Spitzenvereine beschlossen hatten, jüdische Mitglieder auszuschließen. Darunter war auch sein Verein, der Karlsruher FV. Am gleichen Tag schrieb er an seinen Verein: „… Ich gehöre dem KFV seit dem Jahre 1902 an und habe demselben meine schwache Kraft zur Verfügung gestellt. Leider muss ich nun bewegten Herzens meinem lieben KFV meinen Austritt anzeigen. Nicht unerwähnt möchte ich aber lassen, dass es in dem heute so gehassten Prügelkinde der deutschen Nation auch anständige Menschen und vielleicht noch viel mehr national denkende und auch durch die Tat bewiesene und durch Herzblut vergossene deutsche Juden gibt…“.

Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers begann für Julius Hirsch – wie für Millionen anderer Opfer der verbrecherischen Nationalsozialisten – ein schrecklicher Leidensweg, auf dem er gedemütigt, entrechtet, verfolgt und ermordet wurde. 1943 wurde Julius Hirsch in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und kehrte nicht mehr zurück. Das Leben des Julius Hirsch steht beispielhaft für die Ausgrenzung zahlreicher jüdischer Sportler aus der deutschen Gesellschaft.

Quelle: DFB-Kulturstiftung

Ohne Unterstüzung keine „Karten auf’m Tisch“

Das Projekt wäre ohne die maßgebliche Unterstützung vieler Einzelpersonen und Akteur*innen nicht realisierbar gewesen. Besonderer Dank geht hierbei an Eberhard Schulz und der Initiative „Nie Wieder / Erinnerungstag im Fußball“. Weiterhin möchten wir uns bei den Familienmitgliedern der Familie Hirsch für ihr Kommen bedanken. Die Preisträger aus Frankfurt und Chemnitz waren in jedem Fall gern gesehene Gäste – sie motivieren und inspirieren uns für die weitere Arbeit.

Das Projekt „Karten auf’n Tisch“ ist ein Gemeinschaftsprojekt zwischen den Fanprojekt der Sportjugend und Gesellschaftsspiele e.V.

Gefördert vom Bundesministerium des Innern und für Heimat aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.